Social Selling im B2B: eine tragfähige Erweiterung der Vertriebskanäle

Unternehmenslenker im Mittelstand stehen immer noch in der Verantwortung, ihr Unternehmen sicher durch die Untiefen und Kliffe der Corona-Krise zu steuern. Und wer es bis heute geschafft hat, hat mit absoluter Sicherheit einiges richtig gemacht. Aus dem Mut der CEOs neue Wege zu beschreiten, wurden taktische Überlegungen, die sich von Monats- hinzu Quartalszielen entwickelten. Dabei war die Suche nach neuen Absatzkanälen und/oder Zielgruppen in der disruptiven Corona-Zeit ein entscheidendes Kriterium für das Überleben einer Unternehmung. Eine Lösung in digitalen Wegen zu finden, lag aus zwei wesentlichen Gründen auf der Hand: erstens den Verlust des direkten Kundenkontakts des Außendienstes in der Corona-Zeit und zweitens den ohnehin existierenden Trend der Digitalisierung. Diese Gründe gepaart mit den Erfahrungen des B2C Geschäfts hat den Weg des Social Selling auch im B2B Bereich geebnet. Darüber hinaus ist dies die logische Weiterführung der Tatsache, dass auch der B2B Kunde seinen Kauf über die Suche im WWW vorbereitet. 

Dabei sind die Nutzerzahlen und die Entwicklung der Social Media Plattformen, auch für den B2B Bereich, eine wichtige Indikation. In 2021 waren weltweit 4,2 Milliarden Menschen aktiv in diesen Medien unterwegs. Dabei haben 2020 in Deutschland ca. 23% der Nutzer*innen einen Kauf über soziale Medien abgeschlossen (*Alter 18 – 34 Jahre). Diese Entwicklung machen sich auch die mittelständischen B2B Unternehmen zunutze, um Interessenten aus existierenden Zielgruppen zu gewinnen oder neue Zielgruppen zu erschließen. Im B2B Bereich geht es in erster Linie um die Erweiterung der Pre-Sales-Phase, d. h. um die Leadgenerierung, und nicht um einen direkten Absatz wie im B2C Geschäft. Social Selling ist eine Vertiefung und Erweiterung des digitalen Kundenerlebnisses, welches der Kunde sonst nur durch den Außendienst oder den Besuch eines Verkäufers gehabt hätte. 

Flächenvertrieb vs.Social Selling im B2B

Einen doch in die Jahre gekommenen Außendienst davon zu überzeugen, dass sein neues „Glück“ u. a. in den Social-Media-Kanälen liegt, ist eine Herausforderung. Die Corona-Zeit war und ist ein Lernprozess und hat dem digitalen Vertrieb einen Schub verpasst. Auch wenn der neue Absatzkanal mit einigen Vorurteilen zu kämpfen hat, bringt er dennoch sehr viele Vorteile für das Unternehmen und somit auch für den Außendienstmitarbeiter.

Hier eine kleine Auswahl: 

  • Stärkere Kundenbindung über inhaltliche Themen (Content) 
  • Etablierung eines neuen persönlichen Touchpoints
  • Bestandskundenbindung und Neukundengewinnung
  • Verstärkung der allgemeinen Markenbekanntheit
  • Gute bis sehr gute Messbarkeit der Aktionen
  • Aufbau eigener Communitys                    

Diese Vorteile können jedoch nur realisiert werden, wenn der Content, die Beiträge, einen Mehrwert für die jeweilige Zielgruppe in sich tragen. Um dies sicherzustellen, müssen Fähigkeiten aufgebaut und ausgebaut, Prozesse angepasst und ggf. auch Aufbauorganisationen der neuen Situation entsprechend angeglichen werden. 

Vor dieser Abfolge von Entscheidung standen schon andere B2B Unternehmungen. Die erste Erkenntnis war, dass der digitale Vertrieb nicht in einen bestehenden Flächenvertrieb oder Key Account integriert werden kann. Gründe hierfür sind Methoden, Prozesse, digitale Customer Journeys etc., die aus einem analogen Vertrieb nur sehr schwer erfüllt werden können. Aber vor allem die Geschwindigkeit der Maßnahmen hat dazu geführt, dass dieses Thema des digitalen Vertriebs in eine neue Organisationsstruktur überführt wurde, den eCommerce. Die zweite Erkenntnis ist, dass das Produktportfolio nicht zu 100% für den neuen Vertriebskanal passt. 

Produktportfolio ist nicht internetfähig! Oder doch?

In diesem Zusammenhang hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Premiumprodukte und beratungsintensive Produkte nicht über einen Online-Kanal vertrieben werden können. Gerade im B2B Maschinenbau ist dies fast durchgängig der Fall. Wenn jedoch die Entscheidung auf die Verwendung eines Online-Shops fällt, dann ist es oft nur zum Zweck des Absatzes von Ersatzteilen in einem „closed“ Shop. Dies richtet sich dann nur an die Bestandskunden und deren Bedarfe. 

Mit welchen Produkten und wie man in den Online-Vertrieb oder Social Selling einsteigt, ist ganz allein von der Unternehmensstrategie abhängig. Jedoch kann man sagen, dass der Online-Vertrieb und der Einstieg über das Social Selling, egal in welcher Ausprägung, im B2B Mittelstand angekommen ist. Jede Unternehmung sollte sich überlegen, welche Services oder Produkte den Kunden online interessieren könnten. Denn auch ein Online-Service oder eine Online-Beratung kann die Kriterien eines Premiumproduktes erfüllen. Sogar der Kunde könnte ein Onlineangebot als USP des jeweiligen Unternehmens bewerten.

Aber auch wenn das Social Selling noch nicht auf einen Online-Shop abzielt, sondern eine Art der Leadgenerierung und Qualifizierung bedeutet, muss sich eine Unternehmung entscheiden, wie und wo diese prozessual verortet werden sollten, um für die Organisation den besten Effekt zu erzielen. 

Die Aufgaben liegen zukünftig im Marketing 

Der Vertriebstrichter (Sales-Funnel) besteht grob aus drei Teilen. Dabei ist nicht entscheidend, welcher betriebswirtschaftlichen Schule gefolgt wird: 

  1. Aufmerksamkeit oder Bewusstsein schaffen: Top of the Funnel (ToFu)
  2. Interesse verstärken: Middle of the Funnel (MoFu)
  3. Kaufphase: Buttom of the Funnel (BoFu)

Es wird schnell deutlich, dass die Aufgaben der Aufmerksamkeitsphase (ToFu) im Marketing verortet werden. In einer sehr veralteten Managementsicht endet damit die Aufgabe des Marketings. Diese Auffassung ist nicht mehr zeitgemäß und spiegelt die Entwicklungen des Vertriebs und Marketings nicht wider.  

Durch die allgemeine Digitalisierung, den Ausbau der Internetpräsenz und andere Maßnahmen, die durch das Marketing getrieben wurden, ist die Reduzierung auf   reinen „Sales-Support“, Lead-Generierung und Qualifizierung zu wenig. 

Dies zeigt eine Entwicklung, die sich seit Jahren abzeichnet. Es ist die Verschmelzung von Vertriebs- und Marketingfunktionen zu einer neuen Organisationsform. Es ist die Erweiterung der Aufgaben des Marketings von einer reinen ToFu Verantwortung. Diese reichen mit kleineren Ausnahmen über den gesamten Vertriebstrichter von ToFu bis BoFu. Es geht jedoch nicht um das Thema, wer hat jetzt eigentlich die Verantwortung für diesen Vertriebskanal, sondern wo liegt die Kompetenz diesen Kanal zu befüllen und zu befeuern, um letztlich daraus Umsatz und Reichweite zu generieren.  

Der Treibstoff, der die Maschine des Social Selling antreibt, ist der Content. Dies ist die inhaltliche Zielgruppenansprache, die in verschieden Formen existiert und immer schon im Marketing produziert und vertrieben wurde. Das Wissen über Märkte, Zielgruppen und deren Rezeption von Botschaften macht es natürlich sehr einfach, diese neue Aufgabe im Marketing zu platzieren. Dabei darf der Marketing-Support aus den einzelnen Vertriebsbereichen nicht unterschlagen werden.

Fazit

Social Selling funktioniert auch im B2B. Beginnen sollte man mit der Leadgenerierung und Leadqualifizierung. Diese Maßnahmen sollten über Plattformen wie z. B. LinkedIn gesteuert werden. Dabei sind InMail oder Content-Kampagnen zu empfehlen. Hier sind die Inhalte der Kampagnen entscheidend. Auch aus dem Grund, dass es derzeit eine Flut von inhaltlich gut ausgerichteten B2B Maßnahmen gibt und es so aussieht, als würde eine Sättigung bei den Zielgruppen eingesetzt haben. Merke: „CONTENT IS KING“ und sollte der Leitfaden im Social Selling sein. Dieser Content wird bereits in den verschieden Marketingbereichen erzeugt. Daher macht es Sinn, diese Funktion erst einmal im Marketing organisatorisch zu platzieren. Generell sollten sich die Unternehmenslenker im B2B Mittelstand darauf einstellen, dass jedes Produkt und jede Unternehmung im eCommerce stattfinden muss. Das wollen die Kunden. Ein guter Einstieg in diese Thematik bietet das Social Selling, da es auch die Möglichkeit bietet, herauszufinden, was die Zielgruppen (Bestands- und Neukunden) von den Produkten und Services des Unternehmens erwarten.

Hinterlasse einen Kommentar